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Spätestens in zwei Wochen erscheint der 1. Teil meiner Schottlandreihe. Diesmal geht es um drei Geschwister, Lucy die Mittlere macht den Anfang, Aaron, der Älteste bekommt in Teil 2 seine Geschichte und im dritten Band wird Anna, das Küken drankommen. Diesmal geht es auf Lucys Pferdehof, ihr beschauliches Leben dort wird durch Landons Anwesenheit kräftig durcheinandergewirbelt.

Prolog

Lucy

Herbst

Warum konnte ich eigentlich nicht nein sagen? Ich warf meinem Bruder einen unauffälligen Seitenblick zu, als wir seine Wohnung verließen. Während er das Großstadtleben in Edinburgh liebte und schon mehrere längere Auslandsaufenthalte hinter sich hatte, war ich ein Gewohnheitstier, das am liebsten in seinem Heimatort blieb. Und das war ein kleiner Pferdehof in der Nähe von Peebles. Dort gab es viel frische Luft, kaum Autos und vor allem wenig Menschen.

„Pass doch auf“, zischte ich unterdrückt, als mich auf der geschäftigen Straße jemand anrempelte, der mich überhaupt nicht beachtete, sondern weitereilte. Aaron lachte und ich streckte ihm die Zunge raus. Daraufhin legte er mir den Arm um die Schultern und fragte plötzlich etwas ernster: „Ist es hier wirklich so furchtbar für dich oder meckerst du einfach aus Prinzip, weil du deinen geliebten Hof nicht einmal für wenige Tage Anna überlassen wolltest?“

Ich rempelte ihn mit meinem Ellenbogen an und schmollte: „Gib nur zu, ihr beiden habt euch verbündet.“

„Wir meinen es nur gut mit dir.“ Aaron war der älteste von uns dreien und hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er den elterlichen Hof nicht übernehmen wollte. Ich war mit meinen sechsundzwanzig Jahren die Mittlere und wollte nie etwas anderes tun, als mit Pferden zu arbeiten. Da dies aber finanziell nicht genügend abwarf, mussten wir vor ein paar Jahren unser Konzept überarbeiten und meine kleine Schwester hatte mich davon überzeugt, Reittouren anzubieten, um den Hof behalten zu können. Anna war allerdings viel aufgeschlossener als ich, ohne sie hätte ich mich wohl niemals getraut, Feriengäste aufzunehmen. Ihre Rolle war es, sich um die Gäste zu kümmern, ich versorgte die Pferde und organisierte die Ausflüge, die unsere Feriengäste mitbuchen konnten.

Bei diesem Gedanken wurde mir ganz wehmütig zumute. Was würde ich jetzt dafür geben, im Stall den friedlichen Kaugeräuschen der Pferde zu lauschen, anstatt den Großstadtlärm ertragen zu müssen?

„Ich weiß, dass ihr der Meinung seid, ich bräuchte mal eine Auszeit, aber ich bin eben nicht wie ihr.“ Mir war kalt und ich rieb mir mit den Händen über die Oberarme. Zwar hatten wir im Oktober gerade Bilderbuchwetter, aber es war trotz Sonnenschein ziemlich frisch und es wehte uns eine steife Brise ins Gesicht.

„Du musst bei der Geburt vertauscht worden sein“, gab Aaron trocken von sich. Während ich mir ein Augenrollen gerade noch verkneifen konnte, entgegnete ich: „Anna mag unser Leben, sie tut das nicht nur mir zuliebe.“ Mein defensiver Tonfall fiel wohl nicht nur mir auf. Aaron warf mir einen Blick zu, was ich aus dem Augenwinkel erkennen konnte, aber ich weigerte mich, ihn zu erwidern. Mein Herz wurde mir schwer, weil ich befürchtete, dass er mir doch insgeheim vorwarf, unsere Jüngste in diese Rolle gedrängt zu haben.

„Das sage ich doch gar nicht. Aber Anna ist immerhin etwas aufgeschlossener und hatte bei ihrem letzten Besuch richtig Spaß, während du so wirkst, als hätte ich dich zu etwas Schrecklichem gezwungen.“

„Ich habe mich darauf gefreut, Zeit mit dir zu verbringen. Wir sehen uns viel zu selten. Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, du wärst zu uns auf die Farm rausgekommen.“

Aaron wuschelte mir über den Kopf und brachte mein langes Haar durcheinander. Empörte Widerworte sparte ich mir, weil ich wusste, dass mein Bruder dagegen immun war. Immerhin kannte ich ihn schon mein ganzes Leben lang und manche Dinge änderten sich nie.

„Ist es nicht schön hier?“ Aaron war stehengeblieben und wies mit der Hand auf die beeindruckende Kulisse vor uns. Es war nicht so, als wäre ich noch nie in Edinburgh gewesen. Natürlich kannte ich die Sehenswürdigkeiten und auch der Grassmarket, auf dem wir uns gerade befanden, war mir natürlich ein Begriff. Ich blieb neben Aaron stehen und sah mich um. Die viktorianischen Bauten waren allesamt restauriert und hübsch hergerichtet. Der geschichtsträchtige Platz befand sich unmittelbar unterhalb des Castles, das eine beeindruckende Kulisse bildete. Tatsächlich entspannte ich mich, weil mich die Bilder beeindruckten. Für alte Gebäude hatte ich schon immer ein Faible gehabt und mich für Geschichte interessiert. Aber das hektische Treiben stresste mich. Jetzt am Abend waren viele Leute unterwegs, um in einem Pub oder Restaurant ihr Wochenende einzuläuten. Außerdem waren trotz dieser Jahreszeit unglaublich viele Touristen unterwegs, die die Sehenswürdigkeiten abklapperten.

„Wo ist denn das Restaurant, in das du mich einladen willst?“ Es war zwar scherzhaft gemeint, aber ich wusste genau, dass Aaron es sich nicht nehmen lassen würde, für mich zu bezahlen. Mir war es immer unangenehm, aber ich würde ihm den Spaß gönnen, für seine bedürftige Schwester zu sorgen.

„Wir müssen in eine Seitenstraße, wo es etwas ruhiger ist. Nicht ganz so touristisch wie hier am Marktplatz. Es ist ein Insidertipp, den eigentlich nur wir Einheimischen kennen.“ Aaron grinste und fuhr sich durch sein blondes Haar, das denselben Farbton wie meines hatte. Ich bemerkte gleich mehrere Mädels, die ihn offenkundig anstarrten. Ja, er war ein hübscher Kerl, aber leider beziehungsuntauglich. Ein Mädel fing meinen Blick auf und rollte offenkundig mit den Augen, bevor sie mit ihrer Freundin zu tuscheln anfing. Wahrscheinlich dachte sie, ich wäre die eifersüchtige Freundin, obwohl doch ein Blinder erkennen sollte, dass wir Geschwister waren. Er war zudem auch der einzige männliche Begleiter, der mich zum Essen einlud. Mir fiel es schwer, mich Fremden gegenüber zu öffnen und in unserer abgelegenen Heimat waren Männer eher Mangelware. Es war nicht so, dass ich schüchtern wäre, aber ich gab mich nur ungern mit solchen Dingen wie Small Talk ab und sobald mir ein Kerl gefiel, mutierte ich plötzlich zum wortkargen Wesen.

Manchmal sehnte ich mich nach einer Schulter zum Anlehnen, aber im Großen und Ganzen war ich mit meinem Leben ganz zufrieden. Meine Schwester, die Pferde und ich, mehr benötigte ich nicht.

„Wir sind da. Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht.“

Aaron hielt mir galant die Tür zu einem eher alten Gebäude auf, das zu meiner Überraschung aber ein modernes Ambiente offenbarte. Ich hätte mir ja denken können, dass mein Bruder mich nicht in eine abgeranzte Bar brachte, sondern mir etwas bieten wollte. Die Stimmung wirkte gediegen, das Publikum war gemischt, was mich aufatmen ließ, da ich mit Bluejeans und einem enganliegenden weißen Top nicht allzu schick gekleidet war. Ich atmete tief durch und befahl mir, den Abend zu genießen. Schließlich ging es darum, Zeit mit Aaron zu verbringen, wo wir das taten, war doch zweitrangig. Wir mussten uns gedulden, weil vor uns zwei Pärchen standen, die auf ihren Tisch warteten. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich kurz umzusehen, bis wir an der Reihe waren.

Anschließend hängte ich mich bei Aaron ein und raunte ihm ins Ohr: „Danke, dass du mich ab und zu aus meinem Schneckenhaus holst. Ohne dich würde ich wahrscheinlich nur noch mit Pferden reden.“

Aaron lachte dröhnend, was den Kerl vor uns dazu veranlasste, sich zu uns umzudrehen. Erst fixierte er meinen Bruder und ich wunderte mich über seinen düsteren Gesichtsausdruck. War er etwa so ein Spießer, der sich über das unangemessene Verhalten meines Bruders mokierte? Als seine Augen allerdings zu mir weiterwanderten und sich für einen Bruchteil einer Sekunde unsere Blicke trafen, blieb mir die Luft weg. Noch nie hatte mich ein Mann mit einem derart tiefgehenden Blick bedacht. Es wirkte, als wollte er sich in mir einbrennen. Das war keine oberflächliche Musterung, sondern wirkte extremer. Fast schon, als wäre er besessen davon, mich zu studieren. Dass er in weiblicher Begleitung war, schien er vergessen zu haben. Seine Gesichtszüge verzogen sich kein bisschen, als er mich einfach nur ansah. Was ihm wohl gerade durch den Kopf schwirrte? Mir wurde unter dem eindringlichen Blick warm und ich hätte mir gern Luft zugefächelt. Mein Bruder machte eine ruckartige Bewegung neben mir, die ich aus dem Augenwinkel registrierte und mich aus meiner Starre riss. Bevor er sich aufspielte und den Beschützer heraushängen ließ, musste ich ihn ablenken, sonst würde es peinlich werden. Anscheinend hatte ich mir die extreme Fokussierung des gut aussehenden Kerls nicht eingebildet, wenn mein Bruder so reagierte.

Bevor es allerdings zu einer Eskalation kam, sagte die Dame am Empfang: „Mr. Cavendish, es tut mir sehr leid, aber ich habe keine Reservierung für den heutigen Tag. Das System zeigt mir nichts an.“

Der Angesprochene funkelte mich noch kurz an, und wieder hätte ich beinahe nach Luft geschnappt, weil ich mir in seinen dunklen Augen Begierde einbildete, bevor er sich abwandte. Nicht, dass ich mich damit auskannte, wahrscheinlich war der Wunsch Vater des Gedankens.

Fast schon enttäuscht starrte ich nun auf seinen breiten Rücken, dessen Sakko einen muskulösen Körper verbarg. Wahrscheinlich machte er viel Sport, damit sein Body zu seinen makellosen Gesichtszügen passte. Das Einzige, was nicht ganz ins Bild gepasst hatte, waren seine angespannte Miene und sein eiserner Blick, obwohl seine Augen doch hätten lodern müssen, wenn ich ihn nicht kaltließ. Ich schüttelte leicht den Kopf, um die verwirrenden Gedanken abzuschütteln. Ich sollte aufhören, mich hineinzusteigern. Nur weil ich es nicht gewohnt war, von so einem Prachtexemplar von Mann Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen, musste ich nicht gleich in anderen Sphären schweben.

„Dieses Arschloch meint wohl, mit Geld lässt sich alles regeln.“ Die gehässige Aussage riss mich aus meinen Gedanken und ich starrte meinen Bruder ein wenig verblüfft an. Normalerweise war es nicht Aarons Art, Vorurteile zu pflegen oder voreilige Schlüsse zu ziehen. Wieder wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Paar vor uns zu.

„Mr. Cavendish, es tut mir wirklich leid, aber momentan kann ich nichts für Sie tun.“

„Ich erwarte, dass Sie augenblicklich Ihren Vorgesetzten holen. Als Stammgast erwarte ich wirklich etwas mehr Zuvorkommenheit.“

Okay, vielleicht sollte ich meinem Bruder recht geben. Er wirkte wirklich wie ein Arschloch, als er sich so selbstgerecht aufführte.

„Wenn Sie in einer Stunde wiederkommen, habe ich einen Tisch für Sie und Ihre Begleitung.“ Das Mädchen am Empfang war wahrscheinlich gerade zwanzig und schien überfordert mit der Situation zu sein.

„Da vorne ist doch ein freier Platz.“ Der attraktive Dunkelhaarige wies mit seinem Kinn Richtung des besagten Tisches und die Augen der Frau zuckten nervös.

„Der ist reserviert.“

„Ich nehme an, das ist unserer.“ Mein Bruder drängte sich rücksichtslos neben das Pärchen und sagte: „Sinclair.“

Die beiden starrten sich an und die geballte Ladung Testosteron lag in der Luft. Mein Hals fühlte sich trocken an, und ich befürchtete, es würde gleich zu einer Auseinandersetzung kommen. Völlig überfordert zupfte ich Aaron am T-Shirt und murmelte: „Lass uns abhauen, wir können doch woanders etwas essen.“

Allerdings war er so auf seinen Kontrahenten fixiert, dass er gar nichts mitbekam. Seufzend gab ich auf und trat einen Schritt beiseite, weil ich damit nichts zu tun haben wollte. Das war doch einfach nur lächerlich, sich wegen eines Tisches zu streiten. Als meine Augen eher zufällig Aaron streiften, zuckte ich zusammen. Die Abneigung auf seinen Gesichtszügen war unübersehbar. Kannten sich die beiden etwa? Das Brodeln in meinem Magen nahm zu und ich war kurz davor, einfach aus dem Restaurant zu laufen, weil mich die Situation überforderte. Da sich die beiden aber so aufplusterten, als wollten sie sich gleich um den Tisch prügeln, blieb ich lieber an Ort und Stelle.

Die Angestellte nickte meinem Bruder zu. „Ja, ich sehe Ihre Reservierung. Wenn Sie mir bitte zu dem Tisch folgen möchten.“

Sie wies einladend zu dem einzig freien Tisch und mein Blick fiel auf Mr. Cavendish, auch wenn ich ihn eigentlich gar nicht ansehen wollte. Nicht, dass es noch den Eindruck erweckte, als wäre ich schadenfroh. Als ob er meinen Blick gespürt hätte, wandte er sich zu mir und wieder hüpfte mein Herz ein paarmal, bevor es viel zu schnell weiterschlug.

Ich wurde nicht schlau aus ihm, es wirkte, als könnte er sich nicht entscheiden, ob er mich voller Verachtung oder doch eher Leidenschaft betrachten wollte. Seine leicht gerunzelte Stirn verriet mir sein Missfallen und dennoch loderte es diesmal in seinen Augen und ich ahnte, dass ich ihn nicht kaltließ. Nicht, dass ich das irgendwie nachvollziehen konnte, neben seiner brünetten Modelbegleitung war ich das Sinnbild des normalen Mädchens von Nebenan.

„Kommst du, Lucy?“, rief mein Bruder leicht genervt, weil ich immer noch wie angewurzelt dastand. Ich folgte ihm mit linkischen Schritten, weil ich befürchtete, dass er mich immer noch musterte.

„Wenn Sie den Tisch anderweitig vergeben, werde ich für einen handfesten Skandal sorgen. Ich sehe schon die Schlagzeile vor mir.“ Sein arroganter Tonfall stellte mir die Nackenhaare auf und ich hörte die Empfangsdame hektisch ausstoßen: „Ich hole Mr. Ashton.“ Den Zusatz, soll er sich doch mit Ihnen herumschlagen, hatte sie sich verkniffen, durchdrang aber ihre Worte.

Langsam drehte ich mich um, während mein Bruder sich schon auf dem Weg zum Tisch befand. Mr. Eingebildet lag ein triumphales Lächeln auf den Lippen, was mich dezent ankotzte.

„Na also, es geht doch.“

„Wissen Sie was? Wenn Ihnen diese kleine Machtdemonstration so viel bedeutet, dann nehmen Sie doch den Tisch. Anscheinend sind Sie es nicht gewohnt, nicht zu bekommen was Sie wollen.“

Er zog die Augenbraue hoch. „Du hast eine gute Beobachtungsgabe. Ich bekomme immer, was ich will. Und das werde ich dir zu gegebener Zeit demonstrieren. Aber jetzt entschuldige mich bitte, kleine Kratzbürste, ich habe Hunger.“ Beiläufig ließ er seinen Blick über mich gleiten, als wäre ich unbedeutend. Aber ich erkannte die Lüge. Und dieser kleine Triumph gab mir Auftrieb.

„Mir ist es vollkommen egal, ob Sie immer Ihren Willen bekommen und ich kann gerade noch so auf eine Demonstration verzichten. Aber …“ Ich wies mit der Hand auf die Angestellte, „sie hat Ihnen nichts getan. Sie haben wahrscheinlich vergessen zu reservieren, wie können Sie einfach ihr die Schuld zuschieben?“ Mittlerweile spürte ich, dass ich vor Wut bebte und das ärgerte mich. Er sollte mir gleichgültig sein und keine Emotionen in mir auslösen. Unvermittelt setzte er sich in Bewegung und kam auf mich zu. Tausend Schmetterlinge flatterten in meinem Bauch. Moment, wo kamen die denn jetzt her? Meine Augenlider zuckten nervös, aber ich reckte mein Kinn, um etwas größer zu erscheinen und fügte noch frech hinzu: „Außerdem kann ich mich nicht erinnern, Ihnen das Du angeboten zu haben.“

Trotzdem überragte er mich bestimmt um einen Kopf, mir war zuvor gar nicht aufgefallen, wie groß er war. Mit jedem Schritt, den er nähertrat, bekam ich die Aura, die ihn umgab, mehr zu spüren. Er war ein Mann, der ein Nein nicht kannte. Ein machtvoller Mann mit Charisma, trotz seines für mich abstoßenden Auftretens. Es wirkte, als könnte er mich wie eine Ameise unter der Schuhsohle zertreten. Und zeitgleich spürte ich diese gewisse Schwingung zwischen uns, die eine achtlose Zerstörung meines unbedeutenden Daseins niemals zulassen würde. Ansonsten ließ sein Gesicht wenige Rückschlüsse zu. Noch nie war mir jemand mit solch verschlossenen Zügen begegnet. War er eher verärgert oder doch amüsiert über mein dreistes Auftreten?

Als er mir unters Kinn griff, blieb mir der Mund offenstehen. Diese dominante Geste war anmaßend und übergriffig und trotzdem konnte ich meine Augen nicht von ihm lösen. Mir schien es die Sprache verschlagen zu haben, ich konnte ihn einfach nur anstarren, unfähig, seine Hand wegzuschlagen oder nach hinten auszuweichen.

„Du bist frech und vorlaut. Ich werde dich im Auge behalten. Verlass dich drauf.“ Sein Tonfall klang unmissverständlich und viel zu kompromisslos, als dass er meinen rasenden Puls beruhigen konnte.

„Ich bin eher schüchtern, aber wenn jemandem Ungerechtigkeit widerfährt, kann ich meine Klappe nicht einfach halten, nur weil es bequemer wäre.“

„Dann wollen wir mal hoffen, dass dich dein Gerechtigkeitssinn nicht irgendwann in Teufels Küche bringt.“ Seine unheilvoll zusammengezogenen Augenbrauen hinterließen einen unangenehmen Magendruck und ich presste mir automatisch die Hand auf den Bauch. War das gerade eine Drohung gewesen?

„Nimm deine Pfoten von meiner Schwester.“ Aaron war unbemerkt zu mir zurückgekehrt und hatte sich bedrohlich hinter seinem Widersacher aufgebaut.

„Ach, das ist deine Schwester. Ich hatte mich schon gewundert, was so ein Mädel von dir will.“

Der Schlagabtausch sagte mir, dass ich recht hatte, und sich die beiden wirklich irgendwoher kannten.

„Wir wissen doch beide ganz genau, welcher Typ Frau auf mich steht.“ Aarons Stimme klang süffisant und instinktiv begriff ich, dass er auf etwas anspielte, was die Halsschlagader des Dunkelhaarigen heftig pulsieren ließ.

Bevor er Aaron gleich eine verpasste, zog ich meinem Bruder am Arm und flehte: „Lass uns von hier verschwinden. Ich will nicht in eine Schlägerei geraten. Lass ihm doch den blöden Tisch. Nach all dem kann er den Triumph doch sowieso nicht genießen.“

Bevor Aaron mir widersprechen konnte, warf ich dem Unbekannten noch einen flüchtigen Blick zu, der hoffentlich meine Verachtung deutlich machte und wandte mich ab. Wenn ich das Restaurant verließ, würde mir mein Bruder hoffentlich folgen.

„Du hast mich gerade echt blöd dastehen lassen.“ Aarons schneidende Stimme ließ mich zusammenzucken.

„Hätte ich zulassen sollen, dass ihr euch um den Tisch prügelt? Darauf habe ich wirklich keine Lust. Nur weil ihr beide irgendein Problem miteinander habt, müsst ihr mich da nicht reinziehen.“

Aaron fuhr sich durch die Haare und meinte etwas verblüfft: „Wie kommst du darauf, dass wir ein Problem miteinander haben?“

Ich lachte auf, was aber keinesfalls belustigt gemeint war. „Verkauf mich bitte nicht für blöd.“

Mein Bruder hob ergeben die Hände: „Okay, wir kennen uns. Beruflich. Allerdings kennt jeder Mr. Cavendish.“ Es klang, als müsste er sich ein Übergeben verkneifen. „Alle außer dir, wie mir scheint.“ Er musterte mich viel zu intensiv und ich befürchtete rot zu werden.

„Muss man ihn denn kennen?“

„Cavendish Hotels? Klingelt es da bei dir?“

„Die kenne ich.“ Ich sah ihn an und schlug mir die Hand vor den Mund. „Du meinst …“

„Ja, ich meine“, gab er etwas genervt zurück. „Du hast dich gerade mit Landon Cavendish, einem der reichsten Männer Großbritanniens, angelegt, dem Inhaber der Hotelkette.“

Wenn ich das zuvor gewusst hätte, wäre ich still geblieben. Mit solchen einflussreichen Persönlichkeiten legte man sich besser nicht an. Aber ich würde ihn sowieso nie wiedersehen, daher konnte es mir doch egal sein, was er von mir hielt.

„Mir hat nicht gefallen, wie er dich angesehen hat. Versprich mir, dich von ihm fernzuhalten.“

„Wie hat er mich denn angesehen?“, konnte ich nicht widerstehen zu fragen. Aufgeregt sah ich ihn an und hoffe, er merkte nicht, wie ich an seinen Lippen hing.

„Wie eine Beute, die er erlegen will.“ Ob das jetzt etwas Gutes oder Schlechtes war? Immerhin hatte ich sein Interesse geweckt. „Um sie anschließend achtlos fallen zu lassen“, fügte er grimmig hinzu.

„Gott, bist du heute wieder charmant.“ Ich schob die Unterlippe vor und hoffte, mein Bruder erkannte nicht, dass er mich getroffen hatte.

„Ich meine das nicht böse, aber von Männern wie ihm hältst du dich besser fern.“

„Wo soll ich ihm denn bitte begegnen? Etwa auf meinem Reiterhof?“ Ich zwinkerte ihm zu und zu meiner Erleichterung grinste er und ließ sich überreden, mit mir in einen Pub zu gehen, dessen ungezwungenere Umgebung mir sowieso besser gefiel. Und dann würde ich ihn ausquetschen, warum er ein Problem mit diesem Superreichen hatte und woher er ihn überhaupt kannte.

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Comments(4)

    • burke maria

    • 12 Monaten ago

    interessant!!!

    1. Das freut mich.

    • Sandra Spiegl

    • 12 Monaten ago

    Bin schon gespannt wie es weiter geht. Lest sich gut 🙂

    1. Vielen Dank, das freut mich sehr. Das Buch wird bald erscheinen.

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