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Eine Leseprobe aus dem Roman:

Hier findest du den Roman

Sam

Er war wohl ein paar Jahre älter als ich. Seine hübschen symmetrischen Gesichtszüge wirkten sympathisch und noch nie hatte ich erlebt, dass ein Lächeln das Gesicht eines Mannes derart zum Leuchten brachte. Warum nur sah er mich so eindringlich an? Es war kein Lächeln der Sorte unverbindlich und höflich, sondern echt und absolut unverfälscht. Als ob er mir damit sagen wollte, dass er sich freute, mich kennenzulernen. Ich kapierte es nicht. Aber ich sollte endlich aufhören, ihn anzustarren wie das neue Weltwunder und meinen Mund aufbekommen. Ich war doch sonst auch für meine Lockerheit bekannt und nie verlegen einen Kerl anzuquatschen, wenn er mir gefiel. Bei Jayden hatte ich es damals auch getan. Aber jetzt schaffte ich es nicht. Mein Herzschlag verdreifachte sich und ich wusste nicht, wie ich aus der Nummer wieder rauskommen sollte. Schließlich war es Jayden, der mich rettete, als er zurückkam und sagte: „Ach, ihr habt euch schon miteinander bekannt gemacht. Dann hätte ich dir gleich einen Drink mitbringen können.“ Er drückte mir einen Jacky Cola in die Hand und ich nahm einen großzügigen Schluck, weil ich den jetzt nötig hatte. Seinem besorgten Blick wich ich aus, weil ich das gerade nicht aushielt.

„Kein Problem, ich versorge mich nachher selbst.“

Bradys samtweiche Stimme versetzte mir eine Gänsehaut und ich betete, dass die anderen es nicht wahrnahmen. Immerhin war es ein lauer Abend und ich trug wie die anderen ein T-Shirt. Der Drink löste zumindest den Knoten in meiner Zunge.

„Ich bin seit gestern hier. Die beiden haben ein Gästezimmer, dort durfte ich mich einquartieren, denn du hast recht. Zwar stamme ich ursprünglich aus LA, wohne aber seit meinem Abschluss in Lompoc.“

Ich bemerkte, wie er einen kurzen Blick mit Jayden wechselte, was mir verdeutlichte, dass er über mich genauso Bescheid wusste, wie ich über ihn. Na toll. Das fehlte mir gerade noch. Ja, ich bin auch nicht begeistert, im selben Haus wie die beiden zu übernachten. Aber es wäre albern, den Vorschlag auszuschlagen. Wir waren nicht mehr als Freunde, da konnte ich auch bei ihnen übernachten.

„Lompoc. Nette Kleinstadt. Was hat dich dorthin verschlagen?“ Bevor ich antworten konnte, wies er auf mein Glas. „Ich hole mir rasch einen Drink. Kommst du mit? Deiner ist ja schon leer.“

Seine Frage überraschte mich. Er hätte mir etwas mitbringen oder es ignorieren können, dass ich auf dem Trocknen saß. Ich hatte in meinem desolaten Zustand nicht einmal mitbekommen, es geleert zu haben. Eigentlich wäre es besser, nichts mehr zu trinken, ich war schon nüchtern in seiner Anwesenheit nicht mehr zurechnungsfähig. Was würde ich tun, wenn ich besoffen war? Wahrscheinlich einfach über ihn herfallen und ihn küssen, weil er so gut roch. Möglichst unauffällig schnupperte ich und der Duft war so betörend, dass ich fast geseufzt hätte. Um es zu überspielen, hörte ich mich zustimmen. Echt, jetzt? Du wolltest ihm aus dem Weg gehen. Vergebene Männer sind tabu.

Als ich mich in Bewegung setzte, spürte ich diesmal Jaydens Blick auf mir ruhen, aber ich ignorierte ihn. Ich würde es schon ohne Babysitter überleben. Wahrscheinlich hegte er dieselbe Befürchtung, dass ich einen dummen Fehler begehen könnte, wenn er mich allein ließ.

Als Jayden sich räusperte, huschte mein Blick doch zu ihm rüber und ich erwischte ihn, wie er die Augenbraue hochzog und Brady irgendwie durchdringend anstarrte. Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Das Flattern in der Magengegend nahm zu. Fand mich Brady etwa auch attraktiv? Hatte ich mich vorhin doch nicht getäuscht, als ich meinte, in seinen Zügen Interesse zu sehen?

Brady hingegen wirkte verdammt cool und zwinkerte nicht einmal unter dem durchdringenden Blick seines Freundes. Ich an seiner Stelle wäre wahrscheinlich rot angelaufen. Dann wandte er sich mir zu und wir liefen nebeneinander los. „Warum Lompoc?“

Stimmt, seine Frage hatte ich schon wieder vergessen. Dass er sie wiederholte, signalisierte mir, dass er sie nicht nur aus Höflichkeit gestellt hatte, was mir ein wärmendes Gefühl der Zuneigung verschaffte. Verdammt blöd, Sam. Er ist einfach nur nett. Mehr nicht.

„Ich habe Lehramt studiert und an der Highschool dort einen Job bekommen.“ Meine Augen hielt ich nach vorn gerichtet, weil mich seine Nähe sowieso schon ablenkte. Ich befürchtete, wenn ich in seine eindrucksvollen Augen sah, brachte ich kein Wort mehr heraus oder stammelte wie der letzte Idiot herum.

„Wow. Lehrer. Du hast meinen vollen Respekt. Das stelle ich mir herausfordernd vor.“

Nun warf ich ihm einen kleinen Seitenblick zu, weil ich neugierig war. Prompt hob er im selben Moment seinen Kopf und spürte wohl, dass ich ihn ansah. Als sich unsere Blicke trafen, prasselten Millionen von verheißungsvollen Funken auf mich ein und ich hielt die Luft an, damit ich nicht durch einen blöden Laut verriet, wie sehr er mich aus der Fassung brachte. Aber seine grünen Augen, die wie sonnenbeschienenes Moos leuchteten, waren zu viel für mich. Noch nie hatte ich so wunderschöne Augen gesehen.

„Hast du Erfahrung mit Kids oder sprichst du von dir selbst als Teenager?“

Wow, ich hatte es geschafft, cool zu bleiben, zumindest äußerlich, während ich den inneren Sturm kaum unter Kontrolle brachte.

Brady lachte und ich war nahe dran, ihn entweder anzuherrschen, damit aufzuhören oder ihn am Kragen zu packen und seine hübsch geschwungenen Lippen für mich zu beanspruchen. Mir war doch echt nicht mehr zu helfen.

Rasch sah ich wieder nach vorn und hoffte, dass er mir nichts anmerkte.

„Ich unterrichte ein paar Kids in Tennis.“

Überrascht blieb ich stehen und sagte: „Das finde ich cool. Es gibt genügend Menschen, die mit Kindern nichts anfangen können oder es als lästig empfinden, sich mit ihnen zu beschäftigen.“ Bradys Gesichtsausdruck verriet nicht viel. Irgendwie schien es, als grübelte er über etwas, was mir wiederum Rätsel aufwarf. Eilig fügte ich hinzu: „Cool, dass du Tennis spielst. Das wollte ich schon immer gern ausprobieren, aber in meiner Kindheit war das Geld knapp. Daher laufe ich. Dieses Hobby kostet nichts, außer passendes Schuhwerk.“ Ob meine Stimme so unbekümmert klang, wie ich es mir wünschte? Ich konnte es selbst nicht einordnen. Aber ich spielte die Probleme meiner Kindheit gern runter, nicht einmal Jayden wusste, aus welch katastrophalen Verhältnissen ich stammte. Eher tat ich so, als wären wir eine amerikanische Durchschnittsfamilie. Das College hatte ich mir vom Mund abgespart und musste noch einen Großteil zurückzahlen. Daher konnte ich auch jetzt noch keine großen finanziellen Sprünge machen. Zumal man als Lehrer auch nicht die Welt verdiente. Aber das band ich niemandem auf die Nase, denn es ging nur mich etwas an.

Brady musterte mich viel zu intensiv. Ahnte er etwa, dass ich ihm irgendetwas verheimlichte? Verdammt, warum besaß er so ein Pokerface, während ich mir total durchschaubar vorkam?

„Wenn du Lust hast, können wir gern einmal zusammen spielen. Mit Jayden treffe ich mich auch hin und wieder, wenn wir es zeitlich hinbekommen. Komm das nächste Mal doch mit.“ Ich wusste nicht, ob ich mich nun geschmeichelt fühlen sollte oder doch eher enttäuscht, weil ich natürlich viel lieber Zeit mit ihm allein verbringen würde. Ich prustete los, ohne dass ich es verhindern konnte. Oje, Sam, in was hast du dich da hineinkatapultiert? Zwar sagte mir meine große Faszination für Brady, dass ich wohl wirklich über Jayden hinweg war, aber das tröstete mich gerade nur bedingt. Denn Brady war und blieb vergeben. Das konnte ich nicht einfach ausblenden, nur weil mir meine Sinne in seiner Gesellschaft vernebelten.

Ich fing Bradys neugierigen Blick auf und hörte schlagartig auf zu lachen. Meine Güte, er musste mich doch für total bescheuert halten.

„Sorry, ich lache nicht über deinen Vorschlag. Den finde ich super. Wenn ihr nichts dagegen habt, komme ich gern mal mit.“

„Warum hast du dann gelacht?“ Er sah ehrlich interessiert aus, aber ich konnte ihm ja schlecht die Wahrheit sagen.

„Entschuldigung, könntest du mich kurz durchlassen?“ Dankbar für die Unterbrechung, trat ich einen Schritt zur Seite und sagte zu der hübschen Rothaarigen: „Sorry, ich wollte dir nicht den Weg versperren.“

„Ach, von dir lasse ich mir doch gern den Weg versperren.“

Ich lachte gutmütig, wandte mich dann aber wieder Brady zu, damit sie hoffentlich kapierte, dass ich auf keinen Flirt aus war.

„Wo waren wir gerade stehengeblieben?“, murmelte ich und bekam mit, dass sie nach einem kurzen Moment das Haus betrat.

„Jetzt hast du aber jemandem schlechte Laune beschert.“

„Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, dass ich schwul bin. Dann nehmen die Mädels einen Korb eher hin.“

„Gute Idee.“ Wir lächelten uns einen Moment völlig bescheuert an und mein Herz wummerte heftig gegen meinen Brustkorb. Jeder Blinde musste doch sehen, dass wir schwul waren und aneinander interessiert. Du verrennst dich schon wieder in etwas. Tat ich das? Wenn ich nicht wüsste, dass er liiert war, würde ich denken, dass er mit mir flirtete. Sein verheißungsvoller Blick fuhr mir direkt zwischen die Beine. Ich sollte schleunigst wegsehen oder mich am besten vor ihm in Sicherheit bringen, wenn ich nicht gleich mit einem gigantischen Ständer dastehen wollte. Zum Glück hatte Brady darüber seine Frage vergessen, warum ich so dämlich gelacht hatte. Um ihn abzulenken, fragte ich schnell, während ich endlich das Haus betrat, damit wir uns einen Drink holen konnten: „Spielst du gut Tennis?“

Was für eine bescheuerte Frage, Sam. Wenn er Tennis unterrichtet, wird er wohl mehr als leidlich spielen. Am liebsten hätte ich mir irgendetwas gegen den Kopf geschlagen oder mich gleich vor ihm versteckt.

Diesmal war er es, der leise lachte. Ja, lach mich ruhig aus. Ich habe es ja nicht anders verdient.

Er sagte nichts und wir standen vor dem Tisch, an dem zahlreiche Getränke aufgebaut waren. Außerdem gab es einen Barkeeper, der in der Küche auf Wunsch einen Drink mixte.

So dekadent feierte der Herr Doktor. Trotzdem gefiel mir die lockere Atmosphäre hier viel besser als in seinem ehemaligen Penthouse. Kurz überfiel mich die Frage, ob er das für mich auch aufgegeben hätte. Der Schmerz blieb aus, wie ich überrascht feststellte. Brady hatte eine positive Wirkung auf mich.

Kurz ließ ich Brady allein, der sich nur ein Bier schnappte und holte mir etwas Härteres. Dann könnte ich meine peinlichen Äußerungen wenigstens auf den Alkoholkonsum schieben.

Fast war ich verwundert, dass er zuvor nicht nur höfliche Konversation betrieben hatte, sondern auf mich wartete, was wohl bedeutete, dass er sich weiterhin mit meiner höchst unzureichenden Gesellschaft abgeben wollte.

„Gehen wir zum Strand runter?“

Die Sonne ging bald unter und es wäre vielleicht nicht schlecht, sich noch ein wenig die Füße zu vertreten, bevor wir uns am Lagerfeuer niederließen.

„Gern.“ Bei Einwortsätzen konnte ich nicht allzu viel falsch machen.

Erst als wir am Wasser ankamen, unsere Schuhe auszogen und ein paar Schritte barfuß am Wasser liefen, ergriff Brady wieder das Wort. Das Schweigen störte mich nicht. Im Gegenteil. Es war irgendwie seltsam angenehm neben ihm herzulaufen, auf das leise Rauschen der Wellen zu hören und einen guten Drink zu genießen.

„Du weißt wirklich nicht, wer ich bin, oder?“ Überrascht blickte ich von meinen Füßen auf und starrte ihn an. „Jayden hat nie etwas erwähnt? Jetzt bin ich beinahe beleidigt.“ Sein belustigtes Schnauben überführte ihn der Lüge.

„Äh, nein. Ich weiß, dass du Brady bist, ihr euch schon eine Weile kennt, und du nie mehr als ein guter Freund warst. Mehr nicht.“

Jetzt lachte er schallend und ich konnte gar nicht aufhören, ihm dabei bewundernd zuzusehen. Was für ein Lachen. Dieser Mann hatte eine Ausstrahlung, das war einfach unglaublich. Und wenn ich nicht gleich aufhörte zu schmachten, würde ich zu sabbern beginnen.

„Ich würde sagen, er hat die wichtigsten Fakten kurz und präzise zusammengetragen.“

„Und was hat er mir verschwiegen?“, fragte ich neugierig, bevor ich an meinem Drink nippte. Vielleicht wäre es doch klüger, halbwegs nüchtern zu bleiben, damit ich nicht vergaß, was Brady mir erzählte. Erwartungsvoll sah ich auf seine Lippen, bereit für seine Offenbarung. Dabei fielen mir noch ganz andere Dinge ein, die ich gern mit diesen Lippen anstellen würde. O Gott, hör auf. Du bist wirklich verrückt geworden.

„Ich war früher Tennisprofi.“

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich die Tragweite seiner Worte begriff. Ich knirschte mit den Zähnen und konnte mich gerade noch davon abhalten, mein Gesicht hinter meinen Händen zu verstecken. Wie peinlich war das denn bitte? Ich stöhnte und dieses Geräusch brachte seine Augen plötzlich zum Lodern. War ich jetzt völlig verrückt geworden?

„Das wusste ich nicht. Sorry, sonst hätte ich nicht so dämlich gefragt.“ Ich schüttelte den Kopf und musste selbst lachen. „Dann spielst du wohl ziemlich gut.“

„Es hat immerhin während meiner Laufbahn für die Top Ten der Weltrangliste gereicht“, erwiderte er völlig ungerührt, was mich über meine eigenen Beine stolpern ließ. Hilfsbereit griff er mir unter den Ellenbogen und diese Berührung entflammte schon wieder eine geheime Leidenschaft, die ich unter allen Umständen für mich behalten musste. Immerhin hielt er mich davon ab, mich unrühmlich auf die Nase zu legen.

„Wow. Das ist echt cool. Ehrlich gesagt schaue ich kein Tennis an. Warst du auch mal in Wimbledon?“ Das legendäre Tennisturnier sagte sogar mir etwas.

Er nickte und ich starrte ihn wie ein einziges Wunder an.

„Aber nicht gewonnen“, winkte er bescheiden ab. „Rasen ist nicht mein bevorzugter Boden, ich habe lieber auf Hartplatz oder Sand gespielt.“

„Echt krass. Dann warst du richtig erfolgreich.“

„Ich war zufrieden, habe gutes Geld verdient. Aber dann habe ich mich verletzt.“

Ich sah ihm an, dass Brady diese Erinnerung immer noch zu schaffen machte. Am liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, weil ich mir nicht ansatzweise vorstellen konnte, was es hieß, als Profisportler ein unerwartetes Karriereende hinzunehmen.

„Scheiße, das tut mir leid.“ Ich strich ihm sanft über den Oberarm und sein Blick war eine Mischung aus Traurigkeit, Leidenschaft und Gier. Auf den Sport oder auf mich? Wieder fühlte ich diesen absoluten Rausch, den ich nie zuvor erlebt hatte. Dieser Mann machte mich ganz kirre, aber es fühlte sich verdammt gut an.

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